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Basissicherheit vs. Wesentliche Leistungsmerkmale

Was ist der Unterschied?

Was bedeuten die Begriffe und was bedeutet das für mein Produkt?

Die Begriffe "Basissicherheit" und "Wesentliche Leistungsmerkmale" sind zwar fest definierte Begriffe in der IEC 60601-Normenreihe. Allerdings gibt es viele Missverständnisse zu den Einzelbegriffen, zu den Unterschieden und zu den sich daraus ergebenden Forderungen.

Wo finde ich Hilfe zur Lösung?

In der Grundnorm IEC 60601-1 werden beide Begriffe klar definiert (Quelle: IDN EN / IEC 60601-1, Ed. 3.1):

Abschnitt 3.1 - Basissicherheit

"Freiheit von unvertretbarem, durch physikalische Gefährdungen direkt verursachtem Risiko, wenn das ME-Gerät im Normalzustand und bei Ersten Fehlern benutzt wird"

Abschnitt 3.27 - Wesentliches Leistungsmerkmal

"Leistungsmerkmal einer klinischen Funktion, die sich nicht auf die Basissicherheit bezieht, bei dem der Verlust oder die Verschlechterung über die vom Hersteller spezifizierten Grenzen hinaus zu einem unvertretbaren Risiko führt"

Hierbei wird klar, dass für die Festlegungen für ihr Gerät klare Spezifikationen der klinischen Funktionen vorhanden sein müssen und das Risikomanagement eine zentrale Rolle spielt. Während der komplette Ausfall des einen Geräts weiterhin als sicher zu beurteilen ist, kann dies für ein anderes Gerät ein unvertretbares Risiko darstellen!

Im Alltag helfen Ihnen die folgenden Merksätze sicherlich auch:

Basissicherheit wird nicht eingehalten, wenn das Gerät etwas macht, was es nicht machen sollte und das zu einem nicht vertretbaren Risiko führt.

Beispiele:

  • Das Gerät fängt an zu brennen.
  • Das Gerät gibt dem Bediener/Patienten einen gefährlichen elektrischen Schlag.
  • Das Gerät klemmt einen Finger ein.
  • Das Gerät verbrennt einem die Finger.

Wesentliche Leistungsmerkmale dagegen werden nicht erfüllt, wenn wenn Gerätefunktionen, die für die mediz. Zweckbestimmung erforderlich sind, nicht so funktionieren, wie sie sollten und dies zu einem nicht vertretbaren Risiko führt.

Beispiele:

  • Ein Beatmungsgerät hört auf den Patienten zu beatmen.
  • Ein Sensor zur Vitalparameterüberachung misst einen zu hohen/niedrigen Wert.
  • Ein Strahlentherapiegerät gibt eine zu geringe Strahlendosis ab.
  • Ein Röntgengerät gibt eine zu hohe Strahlendosis ab.

Und was bedeutet das konkret?

Grundsätzlich muss jedes ME-Gerät die Basissicherheit gewährleisten. Im Gegensatz dazu hat aber nicht jedes ME-Gerät auch zwingend wesentliche Leistungsmerkmale.

So kann es z.B. durchaus als sicher gelten, wenn ein ME-Gerät vollständig ausfällt, z.B. nach einem Fall oder Stoß. Es darf in diesem Zustand nur nicht dazu führen, dass z.B. gefährliche Spannungen berührbar werden, weil das Gehäuse zerbrochen ist.

Solange das ME-Gerät nicht über eine klinische Funktion verfügt, deren Ausfall oder Verschlechterung zu einem unvertretbaren Risiko führt, stellt dies kein Problem dar. Handelt es sich aber beispielsweise um ein Gerät mit einer Messfunktion (z.B. Temperaturüberwachung in einem Säuglingsinkubator), so darf diese Funktion durch den Sturz oder Schlag nicht ausfallen oder so beeinflusst werden, dass die Spezifikationen nicht mehr erfüllt werden.

Kenne, benenne und bewerte die klinische(n) Funktion(en) Deines Geräts, um diese entsprechend im Rahmen der Entwicklung hinsichtlich der notwendigen Risikominderungsmaßnahmen einzubeziehen!

Woran muss ich sonst noch denken?

Auf jeden Fall sollten Sie die eventuell anwendbaren Besonderen Festlegungen (Particular Standards, z.B. 60601-2-xx, 80601-2-xx) für ihr ME-Gerät kennen! Sehr viele dieser Normen für bestimmte Arten von Geräten legen ganz konkrete wesentliche Leistungsmerkmale und deren Spezifikationen fest!

Häufig werden durch diese Besonderen Festlegungen Alarme spezifiziert, die bei Ausfall oder Verschlechterung des entsprechenden wesentlichen Leistungsmerkmals erzeugt werden müssen. Diese Alarme sind dann auch Teile der Wesentlichen Leistungsmerkmale, und es muss sichergestellt werden, dass sie auch im Ersten Fehlerfall funktionieren und die entsprechende "Alarmnorm" 60601-1-8 erfüllt wird.

Darüberhinaus ist es essentiell zu beachten, dass sowohl Basissicherheit als auch wesentliche Leistungsmerkmale im Normalzustand und bei Ersten Fehlern sichergestellt werden müssen! Kriterien für die Einhaltung sind in der Regel in den normativen Prüfungen festgelegt (z.B. Einhaltung der maximal erlaubten Ableitströme). Je nach Spezifikation der wesentlichen Leistungsmerkmale muss der Hersteller klar die Grenzen der klinischen Funktion spezifizieren und festlegen, wie diese während der Sicherheitsprüfungen überwacht und bewertet werden können.

Dr. Benjamin Weber
Laborleitung