Akkreditiertes Prüflabor, Technische Dokumentation, Zugang zu internationalen Märkten. Alles aus einer Hand.

Neue Telefonnummer:
0451 - 120 151 51

Das elektrische Isolationsdiagramm - Teil 1:

Grundlegende Aspekte

Das elektrische Isolationskonzept sowie das sich daraus ergebende Isolationsdiagramm sind zentrale Bestandteile bei der Prüfung von aktiven Medizinprodukten. Allerdings ist nicht allen Akteuren klar, welche Zielsetzung dahinter steckt und wie es erstellt wird.

Was ist das Problem?

Nicht allen an der Entwicklung eines aktiven Medizinprodukts beteiligten Personen sind die Grundlagen klar und nicht selten stellt sich die Frage:

Wofür und wie erstelle ich ein aussagekräftiges Isolationsdiagramm?

  • In diesem ersten Beitrag zum Thema werden grundlegende Aspekte für die Erstellung eines Isolationsdiagramms erläutert.
  • Im Folgebeitrag (-> Teil 2) wird konkret ein beispielhaftes Isolationsdiagramm hergeleitet, sowie Besonderheiten bei der Festlegung der einzelnen Isolationsbarrieren erläutert.

Wofür wird das elektrische Isolationsdiagramm benötigt?

Das elektrische Isolationsdiagramm beschreibt, welche Schutzmaßnahmen im Gerät vorhanden sein müssen, um den geforderten Schutz gegen elektrischen Schlag zu erzielen. Hierbei ist bei aktiven Medizinprodukten zwischen Maßnahmen zum Schutz des Bedieners (engl. „Means of operator protection“, kurz: MOOP) und zum Schutz des Patienten (engl. „Means of patient protection“, kurz MOPP) zu unterschieden.

Nur mit der Kenntnis der sich daraus ergebenden Anforderungen kann ein sicheres Gerät entwickelt werden. Damit ist es ein essentieller Bestandteil der Entwicklung!

Darüber hinaus hilft das Isolationsdiagramm enorm bei der Sicherheitsprüfung aktiver Medizinprodukte. Nur wenn klar definiert ist, wo und wie welche Schutzmanßnahmen implementiert sind, können diese überhaupt sinnvoll geprüft werden. Ein gutes Isolationsdiagramm unterstützt demnach auch das Prüflabor dabei, die notwendigen Prüfungen zu planen und durchzuführen.

Wie erstelle ich ein Isolationsdiagramm?

Die Erstellung des Isolationsdiagramms sollte schrittweise erfolgen:

  1. Identifikation der relevanten Aspekte des Geräts (Berührbare Teile, Anwendungsteile, Anschlüsse)
  2. Grobe Aufteilung des elektrischen Aufbaus und Darstellung als Blockdiagramm
  3. Klärung der Arbeitsspannungen in den einzelnen Bereichen
  4. Identifikation der Art und Anzahl der geforderten Schutzmaßnahmen zwischen den berührbaren Teilen, Anwendungsteilen und den unterschiedlichen Spannungen (Bediener- oder Patientenschutz? 1xMOxP oder 2xMOxP?)
  5. Identifizierung der konkreten Anforderungen an die einzelnen Schutzmaßnahmen (Kriech-/Luftstrecken, Prüfspannungen)

Was beinhaltet das Isolationsdiagramm?

Das Isolationsdiagramm stellt in der Regel Folgendes dar:

  • Versorgungs- und Arbeitsspannungen, z.B. 100-230 Vac Eingangsspannung, +24 Vdc Sekundärspannung eines Netzteils, +-5 Vdc Arbeitsspannung einer Signalverarbeitungsplatine
  • Berührbare Teile, z.B. Bedienelemente, Touchscreens, Stecker/Buchsen
  • Anwendungsteile inkl. Patientenanschlüsse und Klassifizierung, z.B. Patientenlagerungstisch Typ B, Ultraschallapplikator Typ BF, Elektroden Typ CF
  • Schutzleiterverbindungen, z.B. bei Geräten mit metallisch berührbaren Teilen
  • Weitere relevante Elemente, z.B. Funktionserdleiter, Potentialausgleichsanschlüsse, Signalein-/ausgänge (USB, RS232, Ethernet, BNC…)
  • Konkrete Komponenten, die als Schutzmaßnahme eingesetzt werden, z.B. Optokoppler, Netzteile, Trenntrafos
  • Kennzeichnungen der voneinander zu isolierenden Bereiche (sog. Isolationsbarrieren), z.B. Bereiche mit Netzspannung gegenüber berührbarer Teile, Patientenanschlüsse von Anwendungsteilen des Typs BF oder CF gegenüber Erde

Ergänzend muss für jede Isolationsbarriere aufgeführt sein, welche Anzahl und welche Art von Schutzmaßnahmen umgesetzt werden sollen, z.B. 1 MOPP oder 2 MOPP. Üblicherweise geschieht dies in Form einer Tabelle, welche dann die Anforderungen an die entsprechenden Schutzmaßnahmen festlegt. Dies können Abstände (Kriech- /Luftstrecken) und/oder Prüfspannungen für feste Isolierung sein.

Was ist eine Isolationsbarriere und wie setze ich diese um?

Eine Isolationsbarriere verhindert, dass es zu einem elektrischen Schlag kommt. Die Umsetzung einer solchen Isolationsbarriere kann dabei durch die folgenden konstruktiven Maßnahmen erfolgen:

  1. Kriech- und Luftstrecken
  2. Feste Isolation
  3. Schutzleiterverbindungen
  4. Schutzimpedanzen o.ä.

Dabei kommt meist eine Kombination aus mehreren der genannten Möglichkeiten zum Einsatz. So kann z.B. ein Gehäuse den Mindestabstand zu spannungsführenden Teilen gewährleisten (Kriech- und Luftstrecken). Dies kann dann kombiniert werden entweder mit einem isolierenden Kunststoffgehäuse oder aber einem schutzleiterverbundenen Metallgehäuse.

Die IEC 60601-1 fordert die Umsetzung von zwei Schutzmaßnahmen, um auch im Falle des Versagens einer einzelnen Schutzmaßnahme die Sicherheit zu gewährleisten (Erstfehlersicherheit). Es ist zwar möglich, zwei Schutzmaßnahmen durch große Abstände oder sehr spannungsfeste Isolationen zu erzielen (verstärke Isolierung). Allerdings empfiehlt die IEC 60601-1 die Kombination unabhängiger Isolationsbarrieren (Doppelte Isolierung durch Basisisolierung und zusätzliche Isolierung).

Was beeinflusst die Inhalte des Isolationsdiagramms?

Bei der Entscheidung darüber, in welcher Form die Isolationsbarrieren umgesetzt werden, hat der Hersteller grundsätzlich einen hohen Entscheidungsfreiraum. So können vollkommen unterschiedliche Ansätze zum Erreichen des gleichen Schutzniveaus führen. Allerdings sollten einige Umstände beachtet werden, welche sich direkt auf die Anforderungen der konkreten Isolationsbarrieren auswirken. Hierzu zählen z.B.:

  • Die maximale Betriebshöhe bzw. minimaler Umgebungsdruck wirken sich auf die geforderten Luftstrecken aus.
  • Auch berührbare Teile innerhalb der Patientenumgebung können den Anforderungen für Patientenschutz unterliegen, obwohl es sich nicht um Anwendungsteile per Definition handelt.
  • Die Mikroumgebung hat direkten Einfluss auf die geforderten minimalen Kriechstrecken. Stichwort: Verschmutzungsgrad! Kurz gesagt: Je geschützter die Mikroumgebung, desto geringer sind die geforderten Kriechstrecken bzw. je höher die potentielle Verschmutzung, desto größer sind die geforderten Kriechstrecken.
  • Neben rein elektrischen Parametern sind auch Aspekte der mechanischen Festigkeit, Entflammbarkeit oder Widerstandsfähigkeit gegen aggressive Substanzen (Reinigung, Desinfektion) und Umwelteinflüsse (Sterilisation, Lager-/Betriebstemperaturen, Luftfeuchtigkeit) zu beachten. Dies ist meist relevant für die Auswahl von festen Isolationsmaterialien, kann aber auch bei der Dimensionierung von Kriech- und Luftstrecken wichtig sein.

Diese Aspekte sollten im Rahmen der Entwicklung und bei der Anforderungsfestlegung als Design Input betrachtet werden, aber auch in späteren Phasen des Lebenszyklus, z.B. bei einem Redesign.

Wo finde ich Hilfe zur Lösung?

Der Begriff „Isolationsdiagramm“ taucht als solcher nicht in der IEC 60601-1 auf. Allerdings finden sich hier die entsprechenden konkreten Anforderungen an die einzelnen Schutzmaßnahmen, also Kriech- /Luftstrecken und Prüfspannungen. Des Weiteren sind im informativen Anhang J einige einfache Beispiele aufgeführt.

Im Zweifelsfall unterstützen wir Sie gerne bei konkreten Fragestellungen!

Und was bedeutet das konkret?

  • Das Isolationskonzept /-diagramm ist ein essentieller Bestandteil einer jeden Sicherheitsprüfung.
  • Um ein sicheres Gerät zu entwickeln, ist es notwendig, die entsprechenden Anforderungen frühzeitig zu identifizieren und im Verlauf der Entwicklung im Blick zu behalten.
  • Nur wer die Anforderungen kennt und versteht, kann diese auch tatsächlich umsetzen.
  • Geschieht dies nicht, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass im Rahmen der Sicherheitsprüfungen Defizite identifiziert werden, die nicht selten in enormem Änderungsbedarf am Design resultieren. Dies verschlingt Ressourcen, die weitaus effektiver in der Startphase der Entwicklung eingesetzt werden sollten.

Ein gutes Isolationskonzept /-diagramm spart Zeit und Kosten und ist ein zentraler Bestandteil für ein sicheres Medizinprodukt!

Dr. Benjamin Weber
Laborleitung